Sonntag, 21. Juli 2013

Zweitens - als Kind nach dem Fall von Königsberg




2)   lange Strümpfe als Segen

Kriegskind heilt seine Seele
- ziemlich realistisch geträumt -

a vintage boy war story - stockings

(eine meist erfundene Geschichte aus dem Jahr 1946, 
seht hierzu eine Lese-Quelle, ihr findet sie rechts unter „November, Drittes Erlebnis“



Der Beginn dieser Geschichte findet ihr rechts unter „Januar, Erstes Erlebnis“

mein Blog der langen Knabenstrümpfe in alten Zeiten 






Dann hatten wir ein Ereignis, das damals häufig war, 1946, in den Jahren nach dem Krieg. Unser Leben wurde dadurch ganz anders. Zwei Leute kamen zu uns, eine Frau von der Stadtverwaltung – wie sie sich vorstellte – mit einem Jungen an der Hand. Ich dachte, er war etwa mein Alter. „Hier ist Daniel,“ sagte sie, und Daniel verbeugte sich und sagte noch mal, „Daniel.“ – „Ich komme mit Daniel, weil er so allein ist und ein Zuhause sucht.“

Mutti und die Frau setzten sich. Und wussten nicht, was sie sagen sollten. Wir waren alle sehr verlegen, und ich ging erstmal zu Daniel und gab ihm die Hand, „komm, setz dich.“ Doch Daniel blieb stehen, und wir sahen uns an. Im Leichtsinn sage ich, „bleib doch einfach hier.“ Und Mutti sagt auch, „bleib doch einfach hier bei uns, wir haben noch etwas Platz, nein, gut Platz.“ – Es war nicht Leichtsinn, es war irgendwie Liebe, merke ich.

Denn wir mögen Daniel gleich sehr gerne, er hat etwas sehr Feines an sich, wenn auch seine Kleidung verlumpt und dreckig ist, und viele Löcher hat. Er trägt eine grau–grüne Stofftasche über der Schulter, die er fest an sich klammert. Es muß Wertvolles darin sein.

„Daniel ist seit ein paar Tagen hier in der Stadt und schlief im Obdachlosenheim, aber das geht ja nicht so weiter,“ sagt die Frau. „Daniel, sag mal selbst.“

Daniel stottert etwas herum, mag wohl nicht erzählen, was mit ihm ist, und fängt etwas an zu weinen. Wie er beginnt, merke ich, daß seine Sprache etwas anders ist als unsere, eine andere Betonung, oder richtiger, eine andere Musik. „Ich bin Flüchtling, aus Ostpreussen, alle sind fort, alle habe ich verloren, die ganze Familie, ich bin der einzige, der übrig íst.“

„ . . . schon so lange bin ich unterwergs, und wusste nie, wohin eigentlich. Auch eure Stadt ist mir genau so fremd, habe noch nie den Namen gehört.“

„Kann mir nicht vorstellen, wo ich eigentlich bin,“ und seine Augen werden wieder naß.

Das hört man so häufig in dieser Zeit, und nun kommt so jemand zu uns. Schon lange habe ich mich danach gesehnt, solchen  Flüchtlingen mehr helfen zu können, sie aufzunehmen. In unserer Klasse sind einige Flüchtlinge, aus Ostpreussen, aus Schlesien, aus Russland sogar. Ich gebe ihnen oft von meinem Brot ab. Teile mit ihnen, was ich habe, und Mutti gibt mir oft etwas Besonderes für die Kinder aus dem Osten mit, mal einen schönen Apfel oder so.

„Und was seid ihr für Leute?“ fragt Mutti. Daniel ist still, dann: „meine Eltern sind Lehrer – ach nein, ich denke, sie sind sind alle tot.“ „Lehrer in Königsberg. Doch zum Schluß war mein Vater eingezogen, als Soldat, und da ist er gefallen, haben wir gehört, tot, irgendwo in Russland. Hat sich wohl sehr quälen müssen, und ich liebe ihn doch so,“ und er weint hemmungslos, und Mutti nimmt ihn in die Arme, „nun bist du hier bei uns, sei willkommen.“

Ich sage auch, „sei willkommen bei uns.“

Die Frau sagt, „nun kann ja alles mal ein wenig besser werden, nicht wahr, Daniel?“ Er nickt etwas, bedankt sich bei ihr und gibt ihr mit einer Verbeugung die Hand zum Abschied.

Mutti sagt, „ich heiße Eta, und mein Junge heißt Stefan. Komm, wir gehen mal in die Küche, vielleicht möchtest du etwas essen, ein Glas Milch vielleicht, ja?“

Daniel setzt sich bescheiden auf den Küchenstuhl. „Zieh doch mal deinen Mantel aus, wenn du möchtest,“ und er tut es und hängt ihn an die Garderobe auf dem Flur. „habe schon lange keine Garderobe mehr benutzt.“ Ich sehe seine dunklen Überfallhosen, und er tut mir leid wegen der Löcher. „Darf ich dir frische Hosen geben?“ „Ach ja, das würde mir sicher sehr gut tun, aber meine Unterwäsche ist auch sehr schmutzig. Hast du welche übrig? Alles war so schrecklich in den letzten Wochen. Habe oft in irgendwelchen Ställen oder Schuppen geschlafen.“

Nach dem kleinen Essen zeige ich ihm das Bad und gebe ihm die frische Wäsche. „Nimm ein schön-warmes Bad,“ sagt Mutti und dreht das Wasser an der Wanne an. Daniel zieht sich aus, sehr verlegen, „weil alles so dreckig ist, mag ich euch gar nicht zeigen,“ sagt er. Ich sehe seinen dünnen und kleinen Körper.

„Ich möchte das gerne selbst waschen. Ist doch meine Sache, oder?“ Mutti lässt ihn und gibt ihm Waschpulver. Nach langer Zeit kommt er und sieht ganz anders aus, „oh, du siehst ja noch feiner aus als ich vorhin vermutet hatte – als ihr kamt,“ sagt Mutti leise lächelnd.

„Ja, irgend wie waren wir mal feine Leute, Oberschullehrer, wißt ihr.“ In Gedanken geht er zum Bücherschrank und sieht zu den Buchrücken – “ja, das hatten wir auch,“ und er zeigt auf einen Band, auf dem Hermann Hesse steht. „– habe ich aber noch nicht gelesen, da wird es ja mal Gelegenheit geben, oder?“ Ich wundere mich über das, was er so sagt. Ich habe das Buch auch noch nicht gelesen, hätte nie den Gedanken gehabt, aber der Daniel! Kommt aus den Trümmern dieses schrecklichen und verlorenen Krieges und sagt so was!

Mutti sieht ihn an, streicht ihm sanft über den Rücken und sagt, „ich habe einige gute Bücher, und außerdem kannst du dir gewiß welche in der Schulbibliothek ausleihen.“ Daniel erholt sich ein paar Tage, schläft viel, und kommt dann mit in die Schule, und er kommt in meine Klasse. „Wisst ihr, was der größte Genuß ist? Diese schöne und reine Kleidung, so sauber und sogar gebügelt!“ Er trägt immer die langen Hosen, die ich trug bevor ich zu den langen Strümpfen zurück kehrte. Daniel ist ja auch ziemlich viel kleiner als ich. Doch in derselben Klasse. „Ich habe zuhause mit Englisch angefangen, und würde Latein genommen haben, wenn alles anders geworden wäre, mal sehen, wie das nun gehen kann.“

Latein ist auch meine Idee, und wie wir uns zu Ostern entscheiden müssen, nehmen wir beide Latein, zusammen. Und ich bin heute noch froh, daß ich diesen Weg gegangen bin. „Französisch kann man doch immer noch lernen.“ „Und mit Russisch will ich nichts zu tun haben, erstmal, da sind so dunkle Erinnerungen . . .“

Einmal gehen wir zusammen in den Wald, wie so oft in diesen Minaten, und wir sitzen am Waldrand über dem Tal und haben ein langes Gespräch. Daniel sagt, „weißt du, mir fehlt das Weiche in meinem Leben. Das Fühlende. Ich bin so hart, jedenfalls seit der grausamen Flucht aus Königsberg damals. So viel Leiden gesehen, so viel Härte bei allen, bei den Feinden und auch bei unseren Leuten, alles aus Notwehr, weißt du, und viel Angst.“

„So viele Trümmer und Tote und Verwundete, Staub und Dreck, war alles in mein Leben hinein gebrochen, so schnell. Und da hast du keine Zeit zum Weinen, nicht einmal um dich bei einem anderen Menschen einzukuscheln und nach Wärme zu suchen.“

„Ihr seid lieb und sehr mitfühlend, aber es prallt an mir ab, kommt nicht wirklich in meine Tiefe. Mir ist so, als wenn eure Liebe nicht für mich bestimmt ist.“ Und wieder beginnt er zu weinen. „Ich bin so allein, noch immer, könnte weiterwandern. Ein paar Tage bin ich mit einem alten Mann gereist, dann musste ich wieder allein sein. Vielleicht werden wir uns mal wiedersehen, der Mann und ich. So schwer es war, allein zu sein, ich musste wieder allein sein. Habe mir helfen lassen, das geht ja nicht anders, wenn man Kind ist, aber zum Schlafen legte ich mich immer allein hin.“

„Der Mann sagte, uns Jungs und Männern wird so viel innere Härte eingeimpft, ein-erzogen, Unempfindlichkeit, eben Härte, seelische Hornhäute sozusagen, so daß wir die Verwundungen nicht spüren können, die uns allenthalben geschehen. Doch in Wirklichkeit spüren wir sie doch. Denn die Trauer ist geblieben, immer stärker geworden.

Wir sind nie wirklich Soldaten geworden, wie „der Führer“, Hitler, uns haben wollte. Ich hörte von einem Soldaten, der übermüdet im Schützengraben stand und zu schießen versuchte, dabei einschlief. Es war Frost und alles hart gefroren. Wie er aufwachte, lag er auf der gefrorenen Leiche eines anderen Soldaten, hatte ein paar Stunden so geschlafen. Normalerweise hätte man das gemerkt, aber bei diesen Hornhäuten, sozusagen . . . “

Nach langer Zeit sagte Daniel „ich suche nach etwas, das mir meine Weichheit wirklich wiedergibt. Meine natürliche Weichheit . . . Wenn ich dich sehe, Stefan fühle ich sehr viel Weichheit in dir, das strahlst du aus, das bist du – ich aber nicht. Obwohl ich genau so ein Kind bin wie du. Vielleicht sollte ich nicht immer so dunkle Kleidung tragen. Vielleicht sollte ich zu singen versuchen, im Schulchor oder im Kirchenchor oder so.“

Ich merke auf, wie er sagt, „obwohl ich genau so ein Kind bin wie du,“ da bewegt sich etwas in mir, ja Kind-Sein, das ist es. Ich will Daniel helfen, wieder Kind zu sein. Ich sage zu ihm, „zieh doch mal Kinderkleidung an, so wie ich, wir werden schon sehen, so etwas für dich zu besorgen.“

„Wir sind doch Kinder, oder?“

Daniel erinnert sich an früher, “ja, diese langen Strümpfe habe ich als Kleiner auch getragen, alle trugen sie. Ich sollte es mal wieder tun, mal sehen, ob mir das gut tut.“

Wie wir wieder zuhause sind, gebe ich ihm von allem, was ich so trage. Besonders die kurzen Hosen und die langen Strümpfe sind etwas Besonderes für Daniel, „ja, das erinnert mich an meine Kinderjahre. Das ist schön! Das ist richtig warm, das ist für uns Kinder. Ich nehme die beigen, wenn ich darf, die passen da besser.“

Mutti besorgt für Daniel „Kinderkleidung“, wie er sagt, nicht mehr für einen 13–jährigen Jungen gedacht, aber der Versuch . . . Und es gelingt. Manchmal singt Daniel wieder. In der Schule tritt er dem Chor bei und singt seine helle Stimme, er wird wieder zum Kind. Die Musiklehrerin sagt, „da hast du, Daniel, etwas Gutes für dich gemacht, bist noch mal Kind geworden, das wird deine Seele ein wenig heilen, oder was spürst du?“

Da sagt Daniel, „mit den langen Kinderstrümpfen bin ich weicher geworden, oder was denken Sie? Das ist nicht so hart wie in den schwarzen, langen Schihosen.“ – Das macht mich sehr froh, ich streiche meine Beine entlang und freue mich noch mehr über meine Strümpfe und meine Knie.






Stefan und Daniel


Mutti fragt ihn mal, „magst du von früher erzählen, Daniel, von Königsberg, von deiner Reise hierher?“ – „Reise? Nein, war keine Reise, war eine Qual.“ Seine Augen werden wieder naß, „nein, nicht erzählen.“ Mutti lädt ihn ein, auf ihrem Schoß zu sitzen und streichelt ihm die Knie und den Rücken. Und die Haare und Wangen. „Seit ich diese Strümpfe trage, fühlen sich meine Knie sehr gepflegt an, sehr fein,“ sagt Daniel, „sie fühlen sich zuhause hier.“

Er denkt lange nach, dann „nein ich kann da nicht erzählen. Es war alles zu dunkel, habe oft die Augen geschlossen. Erst jetzt öffne ich sie wieder ein wenig.“

„Zeitweise lebte ich in einem Kinderheim, doch dann fuhren wir in den Westen, glaube ich. Mit schrecklichen, stinkenden Zügen, auf Strohschütten liegend. – Sind wir hier im Westen?“ „ja, das hier ist der Westen,“ sagt Mutti. Er atmet auf, „ist das wirklich wahr? Dann bin ich ja angekommnen, ein Glück.“ Und nun weint Daniel leicht, vor Erlösung, denke ich, vor Entspannung.

„Habe neulich bei euch eine alte Zeitschrift gefunden, ein Bild war da drauf und die Worte Königsberg gefallen. Ich habe das Bild gezeichnet, und mich dazu, hier. Ich habe es genannt Daniel´s Trauer. – Nun werde ich nie wieder zeichnen, glaube ich.“





„ . . . so war das, fehlt nur noch der Rauch und Staub und das Schmerz-Schreien der Verwundeten. Das Rufen der Mütter nach ihren Kindern.“

 


Daniel´s Trauer

In einer dieser Nächte geschieht plötzlich etwas, was mir bis heute, nach so vielen Jahrzehnten noch immer nicht klar geworden ist. Ich war wach geworden und hatte mich in meinem Bett aufgesetzt, und ich lehne mich an die Wand, mit gekreuzten Beinen sitzend. Es ist draußen hell, Vollmond. Ich bekomme ein Gefühl, daß mein Körper in wenigen Minuten sehr viel reifer geworden war. Noch immer weiß ich nicht, was das bedeutet, reifer geworden?

Ein paar Meter vor meinem Bett líegt unser Hund, ein großes und von jedem geliebtes Tier in dunklem Fell. Er richtet seinen  Kopf hoch, schnüffelt kurz umher, steht auf und kommt zu mir, legt sich ganz dicht vor meinem Bett wieder hin.

Reifer geworden? Nicht größer oder stärker oder erwachsener, nein, eine andere Reife, kann es noch immer nicht erklären. Ich sitze und wundere mich. Ich stehe auf, ziehe ein Nachthemd über, hole das Buch von Hermann Hesse aus dem Bücherschrank, setze mich an den Esstisch und beginne es im Mondlicht zu lesen, „Knulp“ war der Titel, in blaues Leinen gebunden, weiß ich noch immer. Die Geschichte von einem ziellos umher wandernden Mann. Diese Geschichte passte zu dem, was Daniel mir von sich erzählt hat: ziellos umherwandernd, mit Sehnen nach einer Heimat, die so schwer für ihn wiederzufinden ist, die es nicht gibt. Das Buch hatte mir mal meine Mutter geschenkt, „ist vielleicht noch etwas zu früh für dich, aber wir werden sehen,“ sagte sie, „ich habe es auf dem Markt angeboten gefunden. Man nimmt, was sich ergibt.“

 

Knulp


Nun passt es vielleicht zu Daniel und er wird es mal lesen, ich werde sehen, was mit ihm geschehen wird.

Monate später erzählt Daniel doch etwas aus Königsberg, von seiner langen Reise in den Westen. „als dann der Krieg zu uns kam, als das Schießen anfing, als die Häuser in Trümmer fielen, als immer mehr Männer umherliefen, häßliche Männer! – da fühlte ich, DAS also ist Männlichkeit! Ich war ja ein Junge, und das Mann-Sein war mein Ziel, sollte es sein. Ich sollte irgendwann erwachsen werden, sollte Mann werden, stark, tapfer, vielleicht auch ein Zerstörer, ein Töter, ein Soldat im Schützengraben. So waren die Zeiten damals. Ist das nun vorbei?“

„Dann kamen die Trümmer, immer mehr Trümmer mussten beseitigt werden, immer jünger waren die Knaben, die das tun mussten, ich auch – war es das? Ist DAS das Mann-Sein? Ist das die Männlichkeit, von der der Führer sprach? Ich dachte, Mann und Trümmer und Schmerzen und Leiden sind alles Eins. Das verstand ich nicht und wollte es auch nicht so haben. So ein Mann-Leben fand ich schon damals schlecht, dreckig, stinkend. DAS will ich nie werden!“

Ein Jahr danach gelingt es uns, das genauer zu sagen. Daniel ist nun ein Bruder von mir, wir kennen uns sehr gut und lieben uns. Das Leben ist leichter geworden, und wir beide tragen noch weiterhin lange Strümpfe, nicht wegen der Gewöhnung sondern weil wir das als unsere ganz eigene Art empfinden, eine zarte Art. Weil es uns sehr gut tut, und wir unseren Mut lieben, anders zu sein. Wir spüren: wir werden zu einer besonderen Art von Knaben, es wird unser eigener Weg, andere sind nicht so. Das sind nicht unsere Ideen, sondern wir werden so, ganz von selbst. Manches merken wir garnicht, sondern wird uns erst viel später bewußt. Ab und zu gibt uns eine Lehrerin ein paar Tips. Es mag manche andere außergewöhnliche Knaben-Gruppen geben, doch davon wissen wir nicht.

Wie uns diese Lehrerin, ich nenne sie Frau Meyer, sagt, hat jede Gesellschaft Pläne mit ihren Kindern, Pläne, was aus einem jungen Menschen werden soll. Die eine Gesellschaft will Soldaten haben, die andere Ingenieure, die andere gute Arbeiter oder Dichter und Lehrer . . .  „Doch wir sollten zusehen, daß jeder von uns das wird, was ihm besonders liegt, wozu er geboren wird – natürlich Mädchen ebenso. Das ist meistens schwer, jeder Mensch hat die eigenen, großen Probleme damit, von Geburt an, sich durchzusetzen, denn die anderen Menschen haben immer was anderes mit einem vor . . .“

Daniel geht es lange nicht immer so gut. Er leidet viel unter den Erinnerungen an den Krieg in Königsberg und den Monaten danach. Dann muß er sich dicht in seine Kleidung einwickeln, dann sind ihm die langen Strümpfe und die kurzen Hosen zu durchlässig, zu gefährlich. Dann muß er Dunkles und Dickes tragen, und dann zieht er dunkle lange Hosen über seine Beine, am besten zwei Paar übereinander, und sich in Ecken versteckcn – „ich muß mich beschützen! Heute fühlt sich alles so an, als ob Waffen in mich reinschössen.“ Sein Gesicht ist düster, er fühlt sich dem Weinen nahe. Und Mutti nimmt ihn ab und zu in die Arme und streichelt ihn und sagt, „Weinen ist gut, Daniel, weine, wenn dir danach ist. Wir lieben dich und möchten, daß du hier bei uns bleibst, wir brauchen dich. Wir drei gehören alle zusammen.“ Noch immer nimmt sie ihn dann auf den Schoß und wickelt seinen Kopf in ihre Arme. Und er weint dann los – „nur so kannst du das loswerden,“ sagt sie. "Und kannst dich finden."

Am nächsten Tag dann wird es wieder besser, „nun kann ich die lange Hosen wieder ausziehen und meine langen Strümpfe genießen,“ und er lacht etwas.









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